Menschenfeindlichkeit, Rassentrennung und Remigration – das sind nicht Begrifflichkeiten aus dem zweiten Weltkrieg. Das sind Themen, die uns 2024 noch beschäftigen, wie ein von Correctiv aufgedeckte Treffen von Rechtsradikalen im November 2023 zeigt.
von Nico Scheikl
Um vor dieser Entwicklung zu warnen, versammeln sich seit bekannt werden des Treffens im Jänner 2024 Millionen von Menschen in deutschen und österreichischen Städten. Alle haben ein gemeinsames Ziel: Die Verteidigung der Demokratie und Menschenfeindlichkeit. Ein Widerstand gegen den Rechtsextremismus macht sich breit. Können diese Massendemos etwas bewirken? Ein Versuch die Frage auf den Grund zu gehen
Demonstration gegen Rechtsextremismus
Wien, am 26. Jänner 2024. Bereits in der Straßenbahn in Richtung Innenstadt wurde klar, dass dieser Freitagabend kein normaler ist. Die Bim ist voller als sonst. Nahezu jeder Platz ist besetzt, viele Menschen müssen in der Straßenbahn stehen. Die Beobachtungen unterbricht eine Lautsprecherdurchsage. „Sehr geehrte Fahrgäste, aufgrund einer Demonstration am Ring wird dieser Wagen umgeleitet. Wir bitten um Ihr Verständnis“, murmelt der Straßenbahnfahrer mit Wiener Dialekt in sein Mikrofon. Das Grummeln und Seufzen der Fahrgäste ist nicht zu überhören. Eine Frau schreit: „Ja, genau da wollen wir alle hin!“. Es folgte Gelächter und Applaus.
Ab der nächsten Haltestelle herrscht Geisterstille in der Bim. Fast alle Fahrgäste sind ab der Durchsage zu Fuß auf dem Weg vor das Parlament. Bereits von weitem ist Musik zu hören. Ein bunter Mix aus allen Kulturen wird durch einen DJ vor dem Parlament an das Publikum, den Demonstranten und Demonstrantinnen, vermittelt. Bereits um 17:15 Uhr ist ein großes Treiben vor dem Parlament, obwohl die Demonstration erst eine dreiviertel Stunde später beginnt.
Wenn man durch die Reihen schaut, fällt auf: Alle sind bund gekleidet. Die eine trägt einen gelben Rock, der andere hat eine rote Hose an und das Mädchen hat sich eine Blümchenjacke übergeworfen. Eines haben diese Menschen aber alle gemeinsam: Sie haben Schilder dabei. „Menschenrechte statt rechte Menschen“ steht auf eines geschrieben. Dahinter kann man eine Regenbogenflagge erkennen. Im strömenden Regen wird um ein wenig nach 18 Uhr die Demonstration durch mehrere Redner und Rednerinnen eröffnet. Zum Abschluss singt Ina Regen.
Fridays for Future als Mitveranstalter
Fridays for Future, Black Voices und die Platform für menschengrechte Asylpolitik haben zur „Demonstration gegen Rechts“ aufgerufen. Unterstützt wurde die Demonstration unter anderem von den politischen Parteien SPÖ und den Grünen, aber auch von Organisation wie SOS Mitmensch. 80.000 Menschen sind laut Veranstalter dem Aufruf gefolgt. Der Menschenansammlung reichte von der U-Bahn-Station Volkstheater bis zum Burgtheater.
Zur Frage warum eine Klimaschutzbewegung zur Protestaktion gegen Rechtsextremismus aufruft meint Laila Kirchbaumer, Pressesprecherin von Fridays For Future: „Klimaschutz und Demokratie gehen für uns Hand in Hand.“ Um eine gerechte und wirksame Klimapolitik einfordern zu können, brauche es weiterhin eine funktionierende Demokratie. Kirchbaumer spricht sich gegen die Teilnehmer des Treffen in Deutschland aus. Dort waren nämlich AfD-Vertraute vertreten, die deutsche Schwesternpartei der FPÖ. Kirchbaumer sagt weiter: „Kickl und seine FPÖ und die AfD in Deutschland sind auf Kuschelkurs“. Die FPÖ-Abgeordnete verharmlosen Rechtsextremismus in dem sie Identitäre als eine NGO wie Greenpeace bezeichnen und grenzen sich zu wenig von dem rechtsradikalen Treffen ab.
„Das ist doch krank“
Eine von den vielen Demonstrantinnen in Wien war Tina. Die 34-jährige Philosophiestudentin protestiert am Ring, weil Rassismus keinen Platz in der heutigen Gesellschaft habe. „Unglaublich, dass es heute noch Menschen gibt, die in Rassentrennung denken“ schimpft sie. Für Sie sei das krank. „Ein bisschen weniger scheiße sein und mehr den Kopf einschalten. Mensch ist Mensch.“, gibt sie den Teilnehmer des rechtsradikalen Treffens mit. Mit der Teilnahme an der Demonstration, will sie ein Zeichen gegenüber den parlamentarischen Parteien setzen: „Egal wie die Wahlen dieses Jahr ausgeht wird, die FPÖ hat in der Regierung in Österreich nichts verloren, genauso wenig die AfD in Deutschland.“ Vor Jahren hat Tina in Cottbus in Ostdeutschland studiert und in Anti-Faschistischen Klubs gefeiert. „Dort sind immer wieder Nazis vorbei gekommen um .. naja, nennen wir es Stress zu machen“, lacht die 34-Jährige heute. Allerdings war das für Tina der Weckruf aufzustehen. Seither war Sie schon öfter bei Demonstrationen vorbei.
Auch in anderen österreichischen Städten wurde zum Protest aufgerufen. In Linz, Salzburg, Graz und Innsbruck haben Menschen gegen das Treffen und Rechtsradikalismus demonstriert.
Ein „Bündnis gegen Rechts“ in Graz
Rund 135 Vereine haben in Graz am 03. Februar zu einem „Bündnis gegen Rechts“ zusammengetan. Laut den Veranstaltern „Bündnis für Menschenrechte und Demokratie“ waren 10.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen vor Ort. Versammelt wurde sich vor dem Hauptbahnhof. Es erfolgte ein Marsch vor das Rathaus. Friedlich, bunt und wiederum mit vielen Plakaten, die den Unmut der Demonstrantinnen und Demonstranten aufzeigen. Geendet hat die Demo mit einem Lichtermeer. Der ganze Grazer Hauptplatz war erleuchtet.
Rassismus ist ein Problem
Auch Selina war in Graz dabei. Die 25-jährige Studentin ist, wie sie selbst sagt, vor Ort um „ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen“. Sie sieht Rassismus als großes Problem in der Gesellschaft an, gerade deshalb sei dieser Protest so wichtig. „Als weiße Österreicherin bin ich selbst nicht von Rasissmus betroffen, aber ich kenne einige die täglich damit leben müssen“ erzählt sie. Selina erhofft sich von den Menschen, dass mehr Empathie für alle Menschen vorherrscht.
Aber bewirken diese Proteste etwas?
Für die Recherche dieses Beitrags stand bis zum Redaktionsschluss keine österreichische Politologin und kein Politologe zur Verfügung. Allesamt verweisen auf „das fordernde Wahljahr 2024“ und die Vielzahl der Interviewanfragen aufgrund politischer Spannungen. Veröffentlichte Interviews von anderen Medien schenken dem Thema in Österreich nicht viel Aufmerksamkeit – der Fokus liegt meist auf deutsche Demonstrationen.
Im Gespräch mit dem Standard am 16. Februar erklärt Vicente Valentim, dass die Proteste auf der Straße bis zu den Wahlterminen anhalten müssten, um eine Veränderung im Wahlausgang zu bewirken. Er forscht an der Universität Oxford zu den radikalen Rechten in Europa. Valentim entscheide sich jetzt „wie sich konservative Politiker und Bürger verhalten“. Auch sieht er die konservative Mitte als möglicher Schutzschild gegen rechts, denn diese könne eine Koalition mit rechten Parteien ausschließen.
WIE GEHT ES WEITER?
Seitens Fridays For Future war die Demonstration gegen Rechtsextremismus in Wien nichts einmaliges. „Am 25.02. wird es dezentral in ganz Österreich Aktionen mit Lichtern geben, um ein Zeichen für Vielfalt und Zusammenhalt gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Hass und Hetze zu setzen.“, so Kirchbaumer. Es sei noch lange nicht vorbei, der Kampf um die Demokratie hätte erst begonnen. Über Soziale Netzwerke werde die Bevölkerung zum Vorhaben informiert.